Auf der Suche nach dem Nachfolger für die Lithium-Ionen-Batterie
Was haben E-Autos, Smartphones und Laptops gemeinsam? Sie alle laufen auf Basis von Lithium-Ionen-Batterien (LIB), die die Geräte mit Energie versorgen. Der Lithium-Ionen-Akku hat sich in den Bereichen Elektromobilität, Telekommunikation und portable Datenverarbeitung seit Jahren als alternativlose Instanz etabliert. Diese konkurrenzlose Zeit soll allerdings bald vorbei sein.
Punkte, die auf lange Sicht gegen Lithium sprechen:
- Lithium ist als Rohstoff nur begrenzt auf der Erde verfügbar
- Es stößt aufgrund der großen Herausforderungen gerade in den Bereichen E-Mobilität und
Telekommunikation an seine Grenzen - Sowohl bei der Förderung als auch beim Recycling kann es zu schwerwiegenden Umweltproblemen kommen
Diese Probleme nehmen Forschungsinstitutionen weltweit ernst und machen sich darum auf die Suche nach Nachfolgern beziehungsweise Ergänzungen zu der LIB. Wir haben Experten zu der Post-Lithium-Zeit und möglichen Lithium-Alternativen befragt, mit denen die Anforderungen an zukünftige Energiespeicher bewältigt werden sollen. Die spannenden Antworten zu Graphen, Natrium, Magnesium und dem Elektroautohersteller Tesla lesen Sie im Folgenden.
Quo vadis, Lithium? – Nachhaltigkeit ein großes Thema
Prof. Dr. Maximilian Fichtner sieht einen Kurswandel auf dem Gebiet der Batterieforschung – sowohl im akademischen als auch im wirtschaftlichen Bereich. Es gelte nicht mehr allein höher, schneller, weiter, sondern es komme auch auf Produktions- sowie Recyclingbedingungen an:
„Auf der Suche nach der Batterie der Zukunft beschreiten Wissenschaftler und Industriefirmen derzeit neue Wege. Während die Entwicklungsziele bisher vor allem darauf ausgerichtet waren, mehr Speicherkapazität, schnellere Ladezeiten, längere Lebensdauer, höhere Sicherheit, und geringere Kosten zu erzielen, ist die Frage der Nachhaltigkeit ein neuer, wichtiger Aspekt. Hier geht es insbesondere um die Verfügbarkeit von Rohstoffen und das Batterie-Recycling. Dies führt dazu, dass international daran gearbeitet wird, z. B. den Kobaltgehalt im Pluspol der Batterien weitgehend zu reduzieren oder neue, kobaltfreie Speichermaterialien zu entwickeln. Weitere Rohstoffe, die auf der Agenda stehen, sind Nickel, Lithium und Graphit.“
In Bezug auf Graphit gibt es laut Prof. Dr. Fichtner ebenfalls Bemühungen, dieses „im Minuspol durch Kohlenstoff aus Naturmaterialien zu ersetzen“ – namentlich durch Graphen. Allerdings habe das als „Wundermaterial“ gefeierte Graphen die hohen Erwartungen bislang nicht erfüllen können. Anstelle von Graphit wurde es als mögliche Wirtstruktur für die Lithium-Ionen in der Anode diskutiert. Prof. Dr. Fichtner zu den Hoffnungen der Forschungsgemeinschaft: „Man hat sich erhofft, dass man mehr Lithium einlagern kann. Bisher haben sich die hohen Erwartungen aber noch nicht in praktisch verwertbaren Resultaten niedergeschlagen.“
Welche Ladungsträger könnten Lithium in Zukunft ersetzen?
Batterien auf Lithium-Ionen-Basis sind in nahezu allen digitalen und hochtechnologischen Devices als Ladungsträger verbaut, die Technologie dahinter bietet jedoch wenig Potenzial zu weiterer Optimierung und Lithium ist im Vergleich zu anderen Rohstoffen selten und darum teuer. Die Anforderungen auf dem Gebiet der E-Mobilität und bei mobilen Telekommunikationsgeräten steigen zudem stetig.
Deswegen forschen Wissenschaftler weltweit nach weiteren Optionen, um den hohen Bedarf an Versorgungsenergie decken zu können. Dazu Prof. Dr. Maximilian Fichtner:
„Eine wachsende Anzahl an Forschergruppen befasst sich mit der Frage, wie man Lithium durch andere, weit häufigere Ladungsträger in der Batterie ersetzen kann. Prominentester Vertreter ist das Natrium und die Entwicklung solcher Natrium-Ionen-Batterien ist bereits so weit fortgeschritten, dass die ersten Batterien in 1–2 Jahren auf den Markt kommen werden. Andere attraktive Möglichkeiten sind Batterien auf der Basis von Magnesium, Calcium oder Aluminium, diese Systeme sind aber noch im Forschungsstadium und es wird noch einige Jahre dauern, bis hier alle Probleme gelöst sind.“
Prof. Dr. Maximilian Fichtner ist Direktor am Helmholtz-Institut Ulm (HIU) und Professor für Festkörperchemie an der Universität Ulm. Er ist wissenschaftlicher Sprecher von CELEST (Center for Electrochemical Energy Storage Ulm-Karlsruhe), eine der größten Forschungs- und Entwicklungsplattformen zur Elektrochemischen Energiespeicherung weltweit und außerdem Sprecher des deutschen Exzellenzclusters zur Batterieforschung POLiS („Energy Storage Beyond Lithium“). Schwerpunkt seiner Arbeiten sind neue Verfahren zur elektrochemischen Energiespeicherung und die Entwicklung dafür benötigter Materialien, insbesondere für Natrium-, Magnesium- und Calciumbatterien. Deren Kombination mit Elektroden auf der Basis organischer Naturstoffe bietet das Potenzial, leistungsfähige, stabile und nachhaltige Batterien bauen zu können.
Natrium und Magnesium: Mögliche Lithium-Alternativen?
Natrium ist ein heißer Kandidat, wenn es darum geht, die Lithium-Dominanz zu brechen. Das sieht auch Ralf Higgelke, Redakteur bei DESIGN&ELEKTRONIK, so. Er bezieht jedoch zusätzlich den finanziellen Aspekt bei der Produktion von Alternativ-Batterien ein:
„In der Kostenstruktur für Akkus machen die reinen Materialkosten für das Lithium nur einen gewissen Bruchteil aus. Die Prozesskosten wiegen in der Kostenstruktur insgesamt viel höher, und die sind bei anderen Materialien mindestens vergleichbar. Forscher der Stanford University beschreiben, dass ein Natrium-Akku – Natrium ist wohl ähnlich kostengünstig wie Magnesium – bei gleicher Speicherkapazität nur etwa 20 Prozent weniger kostet als ein Lithium-Ionen-Akku. Dabei ist Lithium etwa hundertmal so teuer wie Natrium.“
Damit liegt laut Ralf Higgelke die Kostenkrux nicht per se an der vermeintlichen Seltenheit von Lithium, sondern an den prozessual anfallenden Ausgaben für eine Batterie, die sich ebenfalls für Alternativen wie Natrium und Magnesium ergeben würden. Des Weiteren sei die häufig postulierte Knappheit von Lithium nicht der ausschlaggebende Grund, der gegen eine weitere Verwendung des Materials spricht:
„Laut Dr. Wolfgang Weydanz (Robert Bosch) liegen die weltweiten Ressourcen bei 30 Millionen Tonnen. Der Bedarf lag im Jahr 2018 bei ca. 50.000 Tonnen, wobei nur die Hälfte für Batterien verwendet wurde. Schätzungen zufolge soll der Bedarf bis 2025 auf 110.000 Tonnen steigen. Gleichzeitig ist das Lithium-Recycling noch unbedeutend; auch das kann ein Hebel für die Zukunft sein.“
Momentan führt kein Weg an der Verwendung von Lithium vorbei; geschätzt wird u. a. die vergleichsweise hohe Energiedichte, die lange Lebensdauer (etwa fünf Jahre mit Kapazitätsverlust) sowie die vielen möglichen Ladezyklen (mindestens 4-stelliger Bereich in Abhängigkeit von Temperatur, Lagerung, Ladeverhalten usw.). Beispielsweise können Magnesium-Akkus nicht mit der Zyklenfestigkeit von Lithium-Batterien mithalten – sie kommen momentan nur auf 50 Lade- bzw. Entladezyklen. Und auch bei der Ladegeschwindigkeit machen sie Lithium noch keine Konkurrenz. Ralf Higgelke glaubt darum nicht an eine baldige Marktreife von Magnesium-Akkus in absehbarer Zeit: „Sie sind immer noch Teil der Forschung, sodass man davon ausgehen kann, dass sie die nächsten zehn Jahre nicht marktreif sein werden. Auch die Wirtschaft setzt voll auf Lithium-Ionen-Akkus.“
Wirtschaft: Nicht ohne Lithium-Ionen-Batterien – das Beispiel Tesla
Lithiums Dominanz wird zwar durch die Forschung in Frage gestellt, die nach einer leistungsfähigeren, kostengünstigeren und umweltfreundlicheren Alternative sucht, jedoch sind Strukturen und Produktionstechnologien von Lithium bereits jetzt in der Wirtschaft vorhanden und erprobt.
Lithium-Ionen-Batterien sind noch die Ladeträger der Stunde, aber es ist nachvollziehbar, dass nach zukunftsresistenten Optionen geforscht wird, die die technologischen Herausforderungen künftig nicht bremsen, sondern Realität werden lassen. Allerdings ist die Industrie nur bedingt bereit, in Zukunftsladeträger zu investieren, deren Profitabilität in den Sternen steht. Das bezeugen die letzten Investitionen in LIB:
„Überall investieren Unternehmen Milliardenbeträge in Gigafactories (Northvolt, CATL etc.) für die Herstellung von Lithium-Ionen-Akkus. Diese Investitionen würden nicht getätigt, wenn Lithium-Ionen-Akkus nur eine Übergangstechnologie wären. Aber damit fehlt auch der kommerzielle und finanzielle Rückhalt für Post-Lithium-Technologien.“
Ralf Higgelke ist seit dem Jahr 2000 Redakteur beim Fachmedium DESIGN&ELEKTRONIK. Sein Spezialgebiet ist die Leistungselektronik. Davor war er zwei Jahre als Schaltnetzteil-Entwickler bei PULS tätig. Er studierte Elektrotechnik an der Fachhochschule München und erwarb dort einen Abschluss als Dipl.-Ing (FH).
An dem weltweit größten Elektroautohersteller Tesla wird deutlich, wie exklusiv im E-Mobilitätsbereich auf Lithium gesetzt und das Heft in die eigene Hand genommen wird. Die Firma von Elon Musk gehört zu den Unternehmen, die sich eine eigene Gigafactory gebaut haben: „Tesla hat bereits früh erkannt, dass der Schlüssel für eine Produktion von hohen Volumen von Elektroautos damit steht und fällt, ob genügend Batterien zur Energiespeicherung verfügbar sind“, so Pascal Landolt, Tech-Redakteur bei Techgarage.blog. 2015 investierte der Elektroauto-Hersteller in den Bau seiner Gigafactory I im US-Staat Nevada, wo er seitdem in Kooperation mit Panasonic sowohl Batteriezellen (18650er und 2170er) als auch komplette Akku-Packs für seine Autos und für seine Tesla Powerwall herstellt. Diese Investition ist ein deutliches Zeichen für Autarkie hinsichtlich Ladeträgern, die sich bezahlt macht, wie Pascal Landolt mit Blick auf weitere E-Autohersteller konstatiert:
„Diese Bemühungen scheinen sich auszuzahlen, denn andernorts herrscht Batterieknappheit. Das kriegt beispielsweise Audi zu spüren: Akkulieferant LG Chem muss seine Kapazitäten auch auf andere Autobauer wie BMW oder Mercedes aufteilen. Das Resultat ist eine knappe Verfügbarkeit von Akkus. Verzögerungen bei der Fertigung des Audi E-Tron sind die Folge.“
Recycling wird bei Lithium-Ionen-Batterien zu einem Schlüsselfaktor
Wie bereits von Prof. Dr. Fichtner angesprochen, widmen sich Hersteller bei der Batterie-Produktion und -verwendung verstärkt dem Punkt der Nachhaltigkeit. Dafür arbeitet beispielsweise Tesla mit universitären Forschungsgruppen zusammen, um sicherlich einerseits die Lithium-Ionen-Batterie weiterzuentwickeln, aber auch um neue Konzepte zu analysieren. Im Zuge der Zusammenarbeit soll zum Beispiel der Einsatz von Lithium selbst, von Kobalt-Teilen und von weiteren metallischen Materialen verringert werden:
„Eine Batteriezelle bei Tesla besteht nur zu höchstens 15 % aus dem ‚weißen Gold‘, während andere Elemente wie Nickel, Kobalt und Aluminium vorherrschen. Allerdings arbeitet Tesla daran, den Anteil an Kobalt weiter zu reduzieren, weil das Element als Konfliktrohstoff gilt. Langfristig setzt Tesla zudem auf ein Recycling seiner Akkus, auch wenn diese zuvor eine riesige Laufleistung von hunderttausenden Kilometern aufweisen.“
Teslas Anstrengungen auf dem Gebiet der nachhaltigen Batterieherstellung und -entsorgung sind symptomatisch für viele Unternehmen, die auf Lithium-Ionen-Batterien setzen. Sie alle rechnen in naher Zukunft nicht damit, dass die Lithium-Ionen-Technologie zu einem Auslaufmodell wird. Man ist sich dabei jedoch auch bewusst, dass die LIB nicht die letzte Errungenschaft auf dem Gebiet der Ladeträger sein wird, allerdings (momentan) doch noch alternativlos sind:
„Mit Lithium-basierten Batterien mag die Akku-Technologie noch nicht am Ende ihrer Entwicklung angekommen sein, doch hat Tesla momentan noch einige gewichtige Gründe, um voll darauf zu setzen:
- Verfügbarkeit
- Bestehendes Know-how
- Preis-Leistungs-Verhältnis.“
Seit jeher bin ich fasziniert von allem, was mit Batterien betrieben wird: Zuerst RC-Autos, danach Smartphones und nun auch Energiespeicher für erneuerbare Energien. Bei meinem ersten eigenen Start-up «Element5 Solar» habe ich eine Menge über Akkus gelernt – und als Tech-Redakteur für Techgarage.blog und passionierter Elektroauto-Fahrer verfolge ich die Entwicklungen an der Batteriefront mit großem Interesse.
Die Ökobilanz der Akkus und Batterien ist immernoch zu negativ, obwohl massiv an effizienteren Technologien geforscht wird.
Vielen Dank für Ihren wichtigen Kommentar zur Ökobilanz von Akkus und Batterien. Sie haben absolut recht, dass trotz der Fortschritte in der Forschung und Entwicklung effizienterer Technologien immer noch Herausforderungen in Bezug auf die Umweltauswirkungen bestehen.
Es ist ein komplexes Thema, das von der Rohstoffgewinnung bis hin zur Entsorgung reicht. Wir sind uns der Bedeutung dieser Fragen bewusst und unterstützen Initiativen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit in der gesamten Lieferkette.
Wir glauben, dass durch kontinuierliche Innovation und verantwortungsbewusste Praktiken eine bessere Ökobilanz erreicht werden kann. Ihr Feedback ist wertvoll für uns und für die gesamte Branche, um uns ständig zu verbessern.
Vielen Dank nochmals für Ihre Einsicht. Wir hoffen, dass zukünftige Entwicklungen in dieser Richtung positive Veränderungen bewirken werden.
Vielen Dank für den sehr interessanten Bericht und die Hintergrundinformationen zum Thema Lithium Ionen Batterien. Die Spannung wird weiterhin aufrecht erhalten, wie das Pendel in naher Zukunft wohl ausschlagen wird.